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Wirtschaftspsychologie im Marketing – verstehen, wie der Kunde tickt

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Warum sind wirtschaftspsychologische Einblicke im Marketing relevant? Die Wirtschaftspsychologie ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum angekommen und bietet Einblicke in menschliches Verhalten und soziale Zusammenhänge im wirtschaftlichen Kontext. In einem Artikel in der SZ wurden dahingehend 184 kognitive Effekte, Biases und Heuristiken zusammengefasst. Die Problematik: mit solchen psychologischen Einblicken scheint die Welt gleichzeitig besser verständlich und doch deutlich komplizierter. Den Überblick zu behalten und das eigene Verhalten einzusortieren ist gar nicht so leicht – aber muss das überhaupt geschehen?

Biases und Fallacies, die uns im Alltag häufiger begegnen, sind beispielsweise der Hindsight Bias oder der Fundamental Attribution Error. Beim Hindsight Bias – Rückschaufehler – geht es darum, im Nachhinein das Eintreten eines Ereignisses zu überschätzen, wenn das Ergebnis schon klar ist. Ein naheliegendes Beispiel ist hier die Vorhersage der Kursentwicklung von Aktien. Wenn man sich den Kurs anschaut, scheint dieser sehr vorhersehbar, ist es in Wirklichkeit aber nicht. Beim Fundamental Attribution Error, dem fundamentalen Attributionsfehler, überschätzen wir Persönlichkeitseigenschaften bei anderen und unterschätzen Situationseinflüsse. Wenn es jedoch um die Bewertung des gleichen Verhaltens bei uns selbst geht, fällt das Urteil genau umgekehrt aus. Ist also jemand unpünktlich so wird es als Charaktereigenschaft dieser Person angesehen. Wenn wir allerdings unpünktlich sind, liegt es z.B. am Stau oder einer anderen situationsgebundenen Begründung.

Effekte und Verzerrungen beeinflussen unser aller Leben. Denn obwohl unser Gehirn uns jedem eine eigene Identität und Persönlichkeit gibt, sind die Heuristiken, Vorurteile, Irrtümer und Dilemmata bei uns allen vorhanden – unabhängig davon, ob wir uns darüber bewusst sind oder nicht. Kognitive Verzerrungen beeinflussen also private und geschäftliche Entscheidungen. Da es im Marketing viel um die Beeinflussung von Kaufverhalten sowie die Kommunikation und Wahrnehmung von Marken geht, sollte ein Blick ins menschliche Gehirn nicht unterschätzt werden, um erfolgreichere Marketingkonzepte an den Markt zu bringen.

System 1 vs. System 2

Um ein erstes Verständnis dafür zu bekommen, wie das Gehirn funktioniert, hilft ein Blick in das Buch Thinking, Fast and Slow von Psychologe Daniel Kahneman. Hier beschreibt der Nobelpreisträger die Aufteilung des Gehirns in System 1 und System 2. Das System 1 ist das automatische, schnelle System, von dem Alltagsentscheidungen unbewusst getroffen werden. Im Gegensatz dazu funktioniert das System 2 in unserem vollen Bewusstsein und ist aktiv, wenn es um komplexe Entscheidungen und Vorgänge geht. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass diese beiden Systeme nicht losgelöst voneinander agieren, sondern sich gegenseitig beeinflussen. Aktiv getroffene Entscheidungen des System 2 beeinflussen, wie unser System 1 die Welt wahrnimmt und umgekehrt. Viele Kaufentscheidungen besonders im B2C Bereich werden über das System 1 getroffen und sind somit, mehr als wir das gerne hätten und selbst meinen, von Heuristiken und unbewussten, automatischen und eher irrationalen Entscheidungen geprägt. Im B2B-Bereich kommt noch das Groupthink Phänomen sowie mögliche Firmen- und eigene Karriereinteressen hinzu, die zu irrationalen Entscheidungen führen.

Durch das System 1 wird unser Leben deutlich erleichtert. Es nimmt den Weg des geringsten Widerstands und das stellt nicht gleich ein Problem dar oder sollte als solches gesehen werden. Denn mit all den Informationen, die einem in der digitalen Welt zur Verfügung stehen, würde ansonsten vor einer Entscheidung die Analysis Paralysis Paralyse durch Analyse – zuschlagen. Dabei kann keine Entscheidung getroffen werden, weil die Analyse der Situation den Entscheidungsprozess verlangsamt oder komplett stoppt. Geplante Zielgruppenansprache an dieser Stelle kann entsprechend effektiv sein. Potenzielle Kunden können von einem Kauf überzeugt oder bestehende Kundenbeziehungen gestärkt werden. Ihnen wird damit die Entscheidung abgenommen, da an dieser Stelle das System 1 statt dem System 2 ansetzen kann.

Effektives Marketing durch das Zuordnen kognitiver Effekte

Um (digitale) Marketingmaßnahmen zu optimieren, kann es hilfreich sein, kognitive Effekte, wie den Decoy-Effekt, den Ankereffekt oder die Verlustaversion zu kennen. Diese können eingesetzt werden, um von den eigenen Produkten oder Services zu überzeugen. Nichtsdestotrotz sind kognitive Verzerrungen mit Vorsicht zu genießen. So ist zum Beispiel die Verlustaversion nicht bei jedem gleich stark ausgeprägt und kontextabhängig (Moderating Loss Aversion, K. Mrkva et al., 2020).

Wenn man im Bereich des digitalen Marketings also mit den psychologischen Effekten und Biases arbeiten möchte, ist es zudem sinnvoll, den Effekt durch die Erhebung und Auswertung von Daten auch zu überprüfen. Im digitalen Bereich ist dies durch ein A/B-Testing recht leicht umzusetzen.

Denn egal wie, unser Gehirn spielt uns gerne Streiche. Keiner kann sich davon frei machen und behaupten, objektiver zu handeln als die anderen. Außer die Entscheidung wird basierend auf Studien und Statistiken getroffen – denn dann werden Entscheidungen mit System 2 getroffen.

Um nun zu der am Anfang gestellten Frage zurückzukommen: muss man den Überblick darüber behalten, welche kognitive Verzerrung aktuell am Werk ist und wie diese die eigenen oder fremde Entscheidungen beeinflusst? Hierzu wurde von Psychologe Gerd Gigerenzer die Kritik geäußert, alles mit kognitiven Verzerrungen erklären zu wollen. Ob ein Effekt tatsächlich vorliegt oder ob es sich lediglich um einen zufälligen Fehler statt einen systematischen handelt, ist häufig schwer zu sagen. Denn es geht nicht zwangsläufig darum alles als Fehler zu erkennen, vielmehr ist es eine Tatsache, dass Menschen keine rationalen Wesen sind. Es gibt also Entscheidungen, die auf kognitive Verzerrungen zurückzuführen sind. Genauso gibt es Entscheidungen, die basierend auf kognitiver Intelligenz getroffen werden.

Fazit

Zusammenfassend ist es, egal ob im privaten oder geschäftlichen Bereich, sinnvoll sich mit Heuristiken und Verzerrungen des Gehirns auseinanderzusetzen. Denn zu erkennen,

  • wann wir z.B. unser Geld in unsere mentalen Konten gepackt haben (Mental Accounting),
  • wann wir nur die Fakten anerkennen, die unsere eigene Meinung belegen (Confirmation Bias) oder
  • wann wir die Gruppe bevorzugen, zu der wir uns zugehörig fühlen (Ingroup Bias),

kann helfen den Umgang mit Menschen zu überdenken und genauer zu verstehen. Es unterstützt auch die Offenheit und das Verständnis anderen Menschen gegenüber. Durch solche psychologischen Einblicke können wir nicht nur unser eigenes Verhalten hinterfragen und besser verstehen, sondern auch im Marketing das Kaufverhalten der Kunden. Je besser der Mensch und seine Entscheidungen verstanden werden, desto sinnvoller und authentischer können Marketingmaßnahmen gestaltet werden. Und davon profitieren Kunden und Firmen gleichermaßen.

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